Gründung einer christlichen Gemeinschaft in Solentiname
Kosmischer Gesang VII
Gründung einer christlichen Gemeinschaft in Solentiname
Kosmischer Gesang VII
Die Idee, in Nicaragua eine kontemplative Mönchsgemeinschaft neuen Stils zu gründen, entwickelte Cardenal in seinem Noviziat im Trappistenkloster Getsemani in Kentucky (1957 - 59) zusammen mit seinem Novizenmeister Thomas Merton, dem schon damals bekannten Mystiker und Buchautor. Auch Merton ließ sich begeistern von dem tiefen Wunsch seines kongenialen Novizen, auf einer abgelegenen Insel im Großen See Nivaraguas eine neue christliche Kommunität zu gründen. Denn auch er selbst war auf dem Wege, sich in ein eremitsches Leben zurückzuziehen, weil seine innere Distanz zu der starken Regulierung in Gethsemani ständig zugenommen hatte ("irrational", "Gebetsmühle", "Zirkus", "Geschäftemacherei").
Noch vor seiner Priesterweihe 1965 kaufte Ernesto C. mit Hilfe begüterter und ortskundiger Verwandter auf Solentiname, einer Gruppe von vier größeren und 32 kleineren Inseln im Nicaragua-See eine menschenleere, dschungelhafte Parzelle auf einer Landzunge der Insel Mancarrón.
Ankunft Ernesto Cardenals auf Solentiname am frühen Morgen eines Sonntags, dem 13. Februar 1966
Das Gründungs-Trio der christl. Gemeinschaft von
Solentiname: Carlos Alberto Restrepo, William Agudelo und Ernesto Cardenal (um 1967)
Zwei kolumbianische Studienkollegen, Carlos Alberto Restrepo und William Agudelo, hatten sich seiner Lebensplanung angeschlossen. Nachdem sein Bischof das Vorhaben genehmigt hatte und nach umfänglichen Vorbereitungen, Einkäufen und Schenkungen kamen die Drei und hilfreiche Freunde schließlich mit zwei vollbeladenen Booten am 13. Februar 1966 auf Solentiname an.
„Wir kamen mit viel Gepäck, allem, was man für das Leben in einer Gemeinschaft an einem Ort brauchen konnte, an dem es nichts gab.
Wir brachten Reis mit und Bohnen, Zucker, Mehl, Angelhaken, einen Klapptisch und Klappstühle, Hängematten, Kerosinlampen, Konserven, Obstbaumsetzlinge, Messwein, Besen, Kleinkalibergewehr, Decken, eine Gitarre, Insektenschutzmittel, Schubkarre, Hefte zum Alphabetisieren, Strohhüte, Hammer ..........“ (Erinnerungen II S. 73f)
Das eremitische Abenteuer beginnt für die drei Gottsucher „an einem Ort, an dem es nichts gab“, Nicht wie im 4. Jahrhundert in der ägyptischen Wüste, sondern in einem tropischen Urwald Mittelamerikas. Wie vor einem Jahr musste sich Cardenal mit seinen Freunden mühsam mit Macheten einen Weg schaffen in die Mitte der Landzunge, wo ein nur halb erbauter und inzwischen verfallener Kirchen-Schuppen seit Jahrzehnten auf Gottesdienste und Priester gewartet hatte.
„Als wir in der Kirche wohnten (die ersten zwei Monate), badeten wir drei Mönchsanwärter (die wir nie Mönche wurden !), am Abend nach der schweißtriefenden Arbeit im See, entweder auf der Südseite, fünfzig Meter von der Kirche entfernt, oder auf der Nordseite, gleich weit entfernt. Dann zogen wir unsere sauberen Kittel an und legten uns in die Hängematten, um unsere geistliche Lesung zu halten.“
(Erinnerungen II S. 84)
„Schweißtriefende Arbeit“ den lieben langen Tag, bei der sie der sienzehnjährige Alejandro, der am Tag nach ihrer Ankunft um Arbeit als Tagelöhner nachfragte, unterstützte („und der in der Revolution einen so hervorragenden Platz einnehmen sollte“) -
das bedeutete konkret:
-die Rodung des Urwaldes mit primitivsten Hilfsmitteln auf einem Areal von einigen Qudratkilometern; allerdings mit HIfe von Macheteros (Bd II 79): „Plötzlich gabe es da einen Blick auf den See, wo man vorher garnichts gesehen hatte. Dann mähten sie an anderer Stelle, und es gab eine andere Aussicht ... und so erschien uns die Landzunge nach und nach immer schöner, viel schöner, als wir es uns vorgestellt hatten.“ (S. 79 - evtl. erweitern!) FOTOS !
Das urwaldähnliche Gelände um die Kirche herum musste also gerodet werden; ein schwimmender Anlegesteg wurde gebaut.
Miriam Guevara: Die Kirche von Solentiname (1980)
Auf diesem Ölgemälde ist die Lage der Kirche an der engsten Stelle der Landzunge sehr gut zu erkennen.
„Schweißtriefende Arbeit“ füllte - neben Psalmengebet und geistlicher Lesung - in den ersten Monaten den Tagesablauf. An erster Stelle stand die Rodung des Urwalds auf der Tagesordnung. Unterstützt wurden die „drei Mönchsanwärter, die aber nie Mönche wurden“, durch den siebzehnjährigen Alejandro, „der am Tag nach ihrer Ankunft um Arbeit als Tagelöhner nachfragte und später in der Revolution einen so hervorragenden Platz einnehmen sollte.“ Etliche Freunde aus vergangenen Zeiten halfen, das fast undurchdringliche Gestrüpp des ca. ein Quadratkilometer großen Dschungel-Areals mit Macheten zu lichten. Und es gab immer wieder überraschende Momente, wenn sich ein neuer Blick auf den See eröffnete.
Die Kirche „Unsere Liebe Frau von Solentiname“ nach der Renovierung
Nach zwei Monaten konnten sie endlich in ein Holzhaus einziehen, das ihnen geschenkt und in vielen Einzelteilen per Boot auf ihre Insel geliefert worden war.
Schweißtriefend war auch der Anbau von Mais und anderen Fruchtsorten und die mühsame Bereitung des Bodens. Missernten, bittere Armut, Geldsorgen und Durchfall mussten ertragen werden.
Fauna und Flora
In einem seiner hektographierten Informationsblätter schildert Cardenal nicht nur die mühselige Knochenarbeit, sondern auch die Wunder der Natur, die die kleine Kirche umgeben. Er erwähnt die Managuasardinen, die jeden Abend zu Millionen kommen; das Reiherweibchen, das in der Südbucht sein Nest gebaut hat; die Papageien und Leguane und Schildkröten. Er bestaunt die Zanate- und Oropéndola-Vögel in den hundertjährigen Mangobäumen und den Malinche-Baum oder „Sacuanjoche-Baum vor der Kirche, dessen Blüte unsere Nationalblüte ist“.
„Der Himmel Solentinames in diesen Nächten war ganz klar.
In der Nacht sehe ich diese fernen Welten ...
Alfa im Orion, 5.000 mal heller als die Sonne.
Sterne, die vielleicht schon nicht mehr sind.
Alfa in der Leier, 327.000 Lichtjahre entfernt
Die Reise des Lichts in die Finsternis.
Warum reist das Licht? Und wohin geht es?
Schauen in die Nacht.
Die unendlich große Zahl von Welten dort oben....
Und ich lege mich schlafen, den Kopf voller Sterne,
mit dem Gedanken, dass ich der Sohn ihres Schöpfers sei...“
(Cántico Cósmico 40 f)
„Und so erschien uns die Landzunge nach und nach immer schöner, viel schöner, als wir es uns vorgestellt hatten... Der See mit seinen unterschiedlichen Farbtönen zu den verschiedenen Tageszeiten. Reiher an den Ufern und Entenarten, die ich nicht kannte, und eine große Zahl von Vögeln, die seit dem frühen Morgen sangen.“
(Bd II 79)
„Der ganze Kosmos als Vereinigung.
Den Kolibri gäbe es nicht ohne Blüte,
noch ohne den Kolibri den Blütennektar...
Den Brotfruchtbaum, den ich in Solentiname säte,
ist heute morgen tief scharlachrot, und der Boden
unter ihm scharlachrot wie ein Perserteppich, und
die Zweige ganz voll Blüten, so,
als sei keine einzige heruntergefallen. Und
ich hörte ein Geräusch über mir wie von einem
winzigen Hubschrauber. Der Hubschrauber war ein
Kolibri von der Farbe des Taus,
wenn blitzend die Sonne darauf scheint....
Trunken vom Nektar, wechselt er von Blüte zu Blüte.
(Cántico Cósmico 403)
„Kommunikation über Funk mit Solentiname,
während ich in Managua über diese Messe in Düsseldorf schreibe.
(Diese urchristliche Eucharistiefeier fand 1982 auf dem Katholikentag von unten statt, mit Brot und Wein für jeden)
Da hörte ich plötzlich Nubias Stimme aus Solentiname:
<Gute Nacht und Ende, wir bleiben auf Sendung>
und auf Sendung brachte das Radio die Nacht Solentinames
mit den Pocoyos, den kleinen Käuzchen, die nachts singen.
Jetzt singen sie nicht mehr so traurig wie zu Somozas Zeiten
o-di-do (verhasst)
sondern
lo-jo-di-mos (wir lieben ???)
Die Glühwürmchen ein Himmel auf Höhe der Erde,
der See mondfarben unterm Mond,
das leise Wiegen der Wellen am Ufer,
die Kröten, die am Steg ihr Liebeslied singen:
amorrrrrr (Liebe)
(Cántico Cósmico 411)
Rodung des Urwalds - Säuberung und Renovierung des „Kirchen-Schuppens“ -
Kampf gegen Moskitos
Anlegesteg - Errichtung eines Wohnhauses - Anpflanzungen und Missernten
134: „Die Welt ist ganz voll von Schönheit,
doch ist keine Schönheit schöner als die menschliche...
und so sind wir dein (?!) Widerschein.“
307: „Man kann am Sinn und Zweck des Universums zweifeln,
doch nicht an seiner Schönheit.“
135: „Wasser, Himmel, Inseln und
ein Boot an einer Insel,
das ist die Landschaft.
Doch das Wasser ist ein Spiegel, der
Boot und Insel und Himmel spiegelt...
Und ich denke, ob diese Landschaft ihrerseits
nicht auch ein großer Spiegel ist,
in dem Gott sich spiegelt.
Nicaragua-See, mein Sakrament.“
In den „Gesängen des Universums“ von 1989 kam die konkrete Fauna und Flora des Großen Sees von Nicaragua nur verhalten und generell in den Blick. Auffälliger ist da die allgemeine Betrachtung und spirituelle Sinngebung dieser zauberhaften Umgebung durch den Poeten. Alle Phänomene der Natur spiegeln in der Ansicht Cardenals die Schönheit Gottes. Und der Nicaragua-See ist für ihn „mein Sakrament“. Das tägliche Leben auf Solentiname, alle Elemente der Natur bedeuten für den Poeten und Theologen lebendig gefüllte Zeichen der permanenten göttlichen Präsenz. Ganz unbefangen nimmt der „Kosmische Gesang“ manchmal die Form eines Gebetes an. Unvermittelt spricht der Sänger ein „du“ an, das DU Gottes.
„´All dies sind Bilder der Liebe, sagte ich damals ... Der Schöpfer all dieser Wesen, die aus einer Vereinigung der Liebe hervorgegangen sind und sich wieder durch eine Liebesvereinigung vermehrten: Wer konnte es anders sein als DIE LIEBE SELBST?“
„Und ich erzähle im Informationsbrief, wie schön es ist, die Messe zu feiern mit dem See vor den Fenstern; hinter der Hostie der blaue See mit ein paar Reihern und der Insel <La Ciguena> ... Und ich sage, dass unser Leben in dieser kleinen kontemplativen Gemeinschaft an sich schon ein Leben im Gebet sei. So natürlich wie der Flug der Papageien, die jeden Abend schwatzend durch den Himmel fiegen.“ (Erinnerungen Bd. ii)
Sehr unangenehm war in diesen Anfangszeiten der permanente Kampf gegen die Moskitos und anderes Ungeziefer (Schwarze Ameisen, Kakerlaken, Pferdespinnen, Skorpione, Stickwespen etc).
Als vorübergehender Wohn- und Schlafraum diente das vergammelte Kirchlein, das zunächst ausgeräumt und gesäubert werden musste (von Fledermausdreck, Plastikblumen, verschmutzten Heiligenbildern etc.).
Trotz aller Mühsal und immenser Anfangsschwierigkeiten war nach eigenen Aussagen Herz und Kopf Cardenals von Gesang und Lobpreis erfüllt. Diese Grundhaltung gründete in seinem „Großen Mystischen Erlebnis“ am 02. Juni 1956, seiner „Stunde Null“. Und sie wurde jetzt ständig bestärkt und beflügelt durch das Leben in einer wundervollen Naturumgebung. Der zweite Band seiner Erinnerungen „Die Jahre in Solentiname“ (2002) dokumentiert, wie tief beeindruckt von der Pflanzen- und Tierwelt Solentinames Ernesto Cardenal noch im Alter von 77 Jahren war.
Auf der gegenüberliegenden Seite der Kirche Richtung Norden geht der der Blick auf den Vulkan Momotombo.
136f: "Silhouette schwarzer Inseln in der Mondnacht...
Alles so klar, dass man
am andern Ufer die Vulkane Costa Ricas sehen kann.
Duft der Sacuanjoche-Blume,
die auch <Nicaraguanita> genannt wird
in diesem Nicaragua, <glückseligstes Land> genannt von
Fray Bartolomé de Las Casas:
´Es ist dieses Nicaragua ein Paradies des Herrn.
Es ist Freude und Erquickung für das Menschengeschlecht.
Soviel Fruchtbarkeit, solcher Überfluss, soviel Liebreiz
und Frische, soviel Gesundheit und soviel Früchte,
so fein bestellt wie die Gärten Kastiliens.`
Und wollte eine Friedensgemeinschaft im Süden des Sees gründen
(in der Gegend von Solentiname).“
128: "Die Seen, die du (Gott) mir gabst...
Wie schwer ists mir gefallen, auf meine Tropen zu verzichten
und mehr noch auf meine Seen...
Die Süße dieses Blaus - womit werde ich sie vergleichen?
Mit dem Himmel. Wasser
Widerschein des Himmelreichs....
Und jetzt schwenkt die Kamera nach Solentiname
und richtet sich
auf einen Regenbogen über einer Insel,
der sich unten im unbewegten Wasser spiegelt.
oder, neue Einstelluing:
der dunkle See, die Blitze,
und einen Augenblick der See wie Gold,
dann wieder dunkel, und wieder wie aus Gold.
Mein See erwacht am Morgen wie ein Traum. Allein
die Welle am Ufer wie ein Kuss.“
Weitere Überlegungen folgen ...
„Von meiner Veranda aus sehe ich, dass alles, was mich umgibt, die sichtbar gemachte Liebe Gottes ist. Seine Liebe hat die Form dieses Sees angenommen, mit den blauen Vulkanen am Ufer gegenüber, den Inseln in der Nähe, die ich von hier aus gut erkennen kann, einem schaumfarbenen Reiher, der am Ufer fischt, dem schwarzen Hals einer Ente, die mit einem silbrigen Fisch im Schnabel aus dem Wasser auftaucht, den Coyol-Palmen, dem blühenden Malinche-Baum, dem grünen Leguan, der die lilafarbenen Blüten der Zeder frisst - dies alles von Gott hierher gebracht, weil es mir so sehr gefällt. Jedes Bild vor meinen Augen ist seine hier anwesende Liebe....
Im Morgengrauen, wenn ich aus dem Haus trete, danke ich Gott für den Platz, den er mir gegeben hat, diese fröhlichen Gewässer und die fröhlichen Inseln uind einen neuen Tag. Einen Ort, an dem Gott und ich vereint sein können...
Schon vor geologischen Erdzeitaltern schuf Gott dieses Solentiname, indem er an mich dachte. Nicht nur an mich ... Wir wissen nicht, was hier gewesen ist während der vielen Jahrhunderte, als Indios hier lebten und Solentiname <Ort der Gäste> bedeutete; doch war dieser Ort sicher schon viele Jahre zuvor ein Ort der Meditation und der Liebe.“
(Erinnerunge Bd II: Die Jahre in Solentiname S.137 f)
Auch Kinder der Inselfamilien trugen zur Verschönerung der Kirche bei. Ihre Zeichnungen, die Cardenal gesammelt hatte, wurden von ihm und Róger auf die Altarwand und die Seitenwände hinter der Marien- und Josefsstatue übertragen:
„Vögel, Blumen, Schmetterlinge, Fische, Häuser, Boote, auch mal ein Flugzeug. Einen sehr schlichten Christus, den ich im Trappistenkloster gemacht hatte, wiederholte ich mit größeren Maßen in weißem Gips. Und weil die Wände der Kirche weiß waren, brachten wir ihn wegen des Kontrastes auf ein paar alten, zerbeulten Benzin- und Kerosinkanistern an, die wir mit Ölfarben in verschiedenen Rottönen strichen. Von weitem sah dieser Hintergrund wie emailliertes Metall aus, und aus der Nähe eben wie alte Blechkanister.
Der Altar war aus Zement und mit Linien und Mustern aus der Zeit vor Kolumbus geschmückt, die Róger und ich in sehr lebendigen Farben auftrugen. Die Statuen von Maria und Josef an den Seitenwänden wurden renoviert. Die Balken und Pfosten wurden auch bunt angestrichen und die Bänke ebenfalls. So sieht die Kirche auch heute noch aus, und sie hat immer noch ihren Boden aus Lehm. Alles ist einfach und ärmlich und gleichzeitig fröhlich“ (154 f).
Eine neue christliche Gemeinschaft auf Solentiname
„Die Messe begann mit Gesängen und Gitarrenspiel, und nachdem ich allen die Absolution erteilt hatte, las jemand das Evangelium. Und dann wurde es kommentiert. Ich trug kein priesterliches Ornat, nur mein Stirnband, und saß mit den anderen am Fuß des Altars.... Dann, wenn die Kommentare zum Evangelium beendet waren, trat ich an den Altar und legte mein Gewand für die Feier der Eucharistie an. Fast alle nahmen das Abendmahl mit dem Brot aus ungesäuertem Teig, das jeder selbst in die Hand nahm und in den Wein tauchte. Auch die Kinder nahmen ihr Stück Brot ... Nach der Messe versammelte man sich in der Gemeinschaftshütte zum Mittagessen, manchmal mit ein paar Gläsern Rum, und dann gab es wieder Gesang und Gitarrenmusik. Eine wirkliche Kommunion!“ (152)
„Pablo, Alejandro und ich standen um halb fünf Uhr morgens auf, um zu beten; erst eine Psalmlesung, dann das eigene Gebet, jeder für sich.... Pablo machte seine Gebete im Jogasitz, Alejandro auf dem Boden sitzend; ich auch auf dem Boden sitzend oder in der Hängematte liegend.“ (153)
Vom ersten Tag an trugen die drei Ordensbrüder, Ernesto Cardenal, Carlos Alberto Restrepo und William Agudelo, ihre Bauernkittel und Blue Jeans, die sie als Mönchskleidung ausgewählt hatten.
Zehn Tage nach ihrer Ankunft auf Solentiname, am Aschermittwoch 23. Februar 1966, feierte Cardenal die erste Messe mit den Einwohnern in der Kirche, die ihnen noch immer als Lager und als Wohnung diente, während sie das Haus bauten. In der Tradition der Trappisten erhielt die Gründung den Namen: „Unsere Liebe Frau von Solentiname“. (78)
Es dauerte einige Jahre, bis das Kircheninnere das Gesicht erhielt, das wir aus den Fotos kennen.
„Dieser Bauernkittel war das traditionelle nicaraguianische Hemd, das nur an ganz wenigen Plätzen noch benutzt wurde. Ich wählte es als unsere Tracht... Es handelt sich um ein einfaches Hemd aus weißem Baumwollropfen von der Schlichtheit einer griechischen Toga. Es eignet sich sehr gut für die Arbeit auf dem Feld. Ich wollte, dass das Hemd der nicaraguanischen Bauern unser Habit würde, genau wie die Kleidung der Bauern des 6. Jahrhunderts die Tracht der Benediktiner würde. Durch Solentiname fand dieser fast vergessene Kittel weite Verbreitung, und mehr noch zur Mode wurde er durch die Hippies.
Die Haare uns ganz kurz zu schneiden, war eine Idee von Carlos Alberto gewesen, um noch klösterlicher zu sein. Später ließen wir die Haare wieder wachsen und zur Blütezeit der Hippies trugen wir sie sehr lang. Unsere Tracht wurde durch Blue Jeans vervollständigt.“ (Erinnerungen Bd II 76)
„Und so entfernte sich unsere Gemeinschaft nach und nach von dem klösterlichen Schema, das ich anfangs im Kopf hatte... Die Wirklichkeit war es, die mich mit sich nahm. Und die wichtigste Wirklichkeit war, dass es in den zwölf Jahren, die ich dort lebte, keine Berufung zum Klosterleben gab. Und wie sollte ich in Solentiname das Kloster für eine Person unterhalten? Also musste ich die aufnehmen, die kamen. Die etwas Ähnliches wie das Klosterleben suchten.“
(Erinnerunge Bd II: Die Jahre in Solentiname S.162 f)
Das Gründungs-Trio blieb nicht lange zusammen. Carlos Albertos Kopfschmerzen wurden immer stärker, nach einem halben Jahr verließ er endgültig die kleine Kommune in sein Heimatland Kolumbien (105). William verabschiedete sich ebenfalls und heiratete Teresita, eine lagjährige Freundin, kehrte aber nach der Hochzeit nach Solentiname zurück. Das „Kloster“ besteht nun aus Ernesto Cardenal, einem verheirateten Paar, einigen Bauernfamilien und ein paar jungen Leuten. Offensichtlich werden gerade hochbegabte junge Männer von der Konzeption Cardenals angezogen. So etwa Alejandro, der natürliche Kopf der jungen Leute in Solentiname, später Guerillero und „nach dem Sieg der Revolution in hohen Führungspositionen (160)
Das gemeinsame Gebet der kleinen mönchischen Gemeinschaft lehnte sich in den ersten Jahren an das Chorgebet der Trappisten in Kentucky (USA) und der Benediktiner in Cuernavaca (Mexiko) an, wie Ernesto Cardenal es von 1957 bis 1961 selbst als Novize und Student miterlebt hatte.
„Und so wurde Alejandro ein Mitglied der Gemeinschaft, der ganz kleinen Gemeinschaft, die aus ihm und Pablo und mir bestand, Róger Pérez, dem ständigen Gast, und William und Tere, die als Ehepaar für sich wohnten.“ (153)
Nach der gelungenen Revolution 1979, als das zerstörte Solentiname wieder neu aufgebaut war, wurde Solentiname bekannt durch Kunsthandwerk und Dichterwerkstätten. Ihre naive Malerei war begehrt und trug dazu bei, die Halbinsel touristisch zu erschließen.
Schließlich konnte die Vierer-Gemeinschaft in das strohbedeckte Häuschen einziehen, das Cardenal immer gewünscht und selbst entworfen hatte.
„Als Alejandro in die Gemeinschaft kam, rezitierte ich dreimal am Tag mit ihm die Psalmen - nicht siebenmal wie die Mönche. Als wir mehr wurden, merkte ich, dass dieses Rezitieren für sie zur langweiligen Routine wurde. Und wir taten es nur zweimal am Tag, und dann nur noch einmal. Morgens vor dem Frühstück gab es eine Bibellesung....
Anfangs hielten wir jeden Tag Messe. Später hielten wir, außer der Sonntagsmesse, die in der Kirche mit allen Leuten gefeiert wurde, zwei- oder dreimal die Woche <im großen Haus> die Messe der Gemeinschaft, wobei wir beim ersten Teil alle auf Strohmatten am Boden saßen und beim zweiten Teil um den Tisch herum.“
„Die Hütte, in der dann wir vier wohnten, Alejandro, Laureano, Elbis und ich, war aus Holzbohlen gebaut und hatte ein Strohdach wie die anderen auch. Es gab eine Zwischendecke, und oben schliefen Alejandro und Elbis, unten Laureano und ich. Unten war auch mein kleiner Tisch mit der Schreibmaschine und ein kleines Bücherregal, ein Waschtisch, eine Hängematte und sonst nichts.“ (164)
Evangelium und Revolution
Naive Malerei und Kunsthandwerk